Ruhe vor dem Sturm: Ein Tag im Nationalrat

Ruhe vor dem Sturm: Ein Tag im Nationalrat

Donnerstag, 04.30 Uhr: Vogelgezwitscher ertönt aus meinem Wecker und holt mich aus dem Schlaf. Der Tag beginnt! Wenn ich im Bad mit meinem Outfit fertig bin, beginnt die Arbeit in der Küche. Hier wird in der Kaffee gekocht und es werden leckere Brötchen hergerichtet.

Heute ist Fronleichnam und im Kanton Luzern Feiertag. Das heisst, die Busse fahren nicht um diese Zeit. Es wartet also ein längerer Fussmarsch auf mich, zum Bahnhof Luzern. Die frische Luft duftet nach verschiedenen Blumen und ich geniesse die Atmosphäre in dieser frühen Morgenstunde.

Der Zug fährt pünktlich um 06.00 Uhr ab und wenn ich kurz nach 07.15 Uhr im Nationalratssaal im Bundeshaus ankomme, kann ich die wunderbare Ruhe und die Morgenstimmung geniessen. Die gibt es wirklich! Es ist die Zeit, in der die ersten Sonnenstrahlen den Saal in ein rötliches Licht tauchen. Und bereits liegt Post auf meinem Tisch, welche mir die zuverlässigen Weibel zustellten.

Es ist noch früh und es gibt nur vereinzelte Plätze, welche bereits besetzt sind. Aber das ist gerade die Gelegenheit für ein kurzes Gespräch oder ein Schwätzchen unter Kollegen. Es ist auch die Gelegenheit, Zeitungen durchzusehen, politische Geschäfte vorzubereiten, Post zu erledigen oder die Ruhe vor dem Sturm zu geniessen. Ja, die Ruhe: Das Parlament ist ein herrlicher Arbeitsplatz, aber es herrscht ein Treiben wie an der New-Yorker Börse! Es wird gesprochen, gelacht, telefoniert und diskutiert und der Lärmpegel ist entsprechend hoch...

Nach und nach füllt sich der Nationalratssaal unter der Bundeshauskuppel und punkt 08.00 Uhr läutet die Glocke des Präsidenten. Nun geht es los, Schlag auf Schlag, immer nach der Traktandenliste. Redner werden aufgerufen und Voten abgegeben. Der ganze Ablauf erfolgt nach einer festgelegten Ordnung: Wer spricht, wie lange, in welcher Reihenfolge. Nichts wird dem Zufall überlassen... Wichtig ist, die „Geschäfte“ immer gut zu beobachten, um auf dem Laufenden zu bleiben. 

Der Nationalratspräsident begrüsst auch die Berichterstatter aus der Kommission (Deutsch und Französisch) und das zuständige Mitglied des Bundesrates. Heute Donnerstag ist Bundesrat ALAIN BERSET dabei.  

Die sitzende Tätigkeit bei Sessionen, Sitzungen und Veranstaltungen, ist für mich eher ungewohnt. Aber ich komme heute sehr gut damit zurecht. Und schliesslich ist es eine ehrenvolle und wichtige Aufgabe in Bern, die ich zu erfüllen habe...

Um 13.00 Uhr ist die Donnerstag-Sitzung der ersten Sessions-Woche zu Ende. Ich räume mein Pult auf, verabschiede mich von meinen Kollegen und sage: „Bis Montag!“

Erschienen als Kolumne in der NEUEN LUZERNER ZEITUNG vom 06. Juni 2015